Hilfe! Meine Mama hat Borderline, Teil 2

Hilfe! Meine Mama hat Borderline, Teil 2

Wie verhalten sich Eltern mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS) den Kindern gegenüber? Wie ist ihr Erziehungsstil zu beschreiben? Darüber möchte ich mehr in diesem Artikel schreiben.

Infos

Zuerst möchte ich auf Teil 1 verweisen, falls du dich wundern solltest, von welchen Typen ich hier spreche.

Des Weiteren werde ich auch hier wieder von Müttern sprechen, auch wenn damit natürlich immer alle Familien und Eltern gemeint sind.

Zuerst werde ich generell auf das Bindungs- und Erziehungsverhalten eingehen und im weiteren Verlauf dann auf die einzelnen Typen von Borderline Müttern.

Bindungsverhalten

1969 untersuchte Ainsworth das Bindungsverhalten anhand eines “Fremde Situation Tests”. Hierbei verließ die Mutter nach kurzer Zeit den Raum und ließ das Kind dort alleine zurück. Dann kam eine fremde Person, um das Kind zu beruhigen. Dann kam die Mutter wieder dazu und beruhigte das Kind.

Dabei konnten 3 verschiedene Bindungstypen festgestellt werden. Babys mit dem ängstlich-vermeidenden Typ spielten weiter, als die Mutter den Raum verließ und mieden sowohl diese als auch die fremde Person. Sicher gebundene Babys spielten in Anwesenheit der Mutter viel, wenn sie weg war weniger. Sie ließen sich schnell von ihr beruhigen und suchten Sicherheit bei ihr. Babys mit dem ängstlich-resistenten Typ verhielten sich abweisend der fremden Person gegenüber, waren stark verunsichert, als die Mutter weg war. Wenn sie wiederkam, zeigten sie jedoch ambivalentes Verhalten, indem sie teils trotzig, teils Trost suchendes Verhalten zeigten. Später wurde noch ein letzter Typ hinzugefügt, die desorganisierte Bindung. Bei diesen zeigten die Kinder durchgehend orientierungsloses Verhalten und hatten keine eigenen Strategien, um Stress zu überwinden.

Solche massiv traumatisierenden Tests sind glücklicherweise heute nicht mehr erlaubt. Gleichzeitig lieferten sie bis heute wichtige Erkenntnisse. So sind die Bindungstypen bis heute so beständig und werden in der Forschung und Praxis angewandt.

Mütter mit BPS

Mütter mit einer BPS haben häufig die Schwierigkeit, dass sie selbst keine heile Kindheit und damit sichere Bindung erleben konnten. Die desorganisierte Bindung wird daher bei den Müttern selbst als vorherrschender Bindungsstil benannt. Häufig geben die Mütter diesen auch an die Kinder weiter. Es konnte außerdem festgestellt werden, dass Mütter mit BPS in dem “fremde Situation Test” eine nicht funktionierende Kommunikation mit den Kindern führen. Wenn die Kinder Sicherheit bei den Müttern suchten, reagierten diese mit Angst und Desorientierung darauf.

Erziehungsverhalten

Es konnte herausgefunden werden, dass Mütter mit BPS mehr Schwierigkeiten haben, sensibler auf die Kinder zu reagieren. Sie zeigen weniger Einfühlungsvermögen und eine verringerte Fähigkeit, auf Emotionen zu reagieren. Die Mütter würden sich zum einen überbehütend und zum anderen aber wenig mitfühlend zeigen.

Die Mütter selbst gaben an, sich nicht kompetent in ihrer Mutterrolle zu fühlen und daher keine Erfüllung in dieser zu finden. Stattdessen würde sie eher Stress auslösen.

Mutterschaft ist bei Frauen mit BPS häufig mit einem dringenden Wunsch verbunden, jemanden zu haben, der zu einem gehört. Hierdurch kann es zu sogenannten symbiotischen Beziehungen kommen – das heißt, Beziehungen, die für beide Seiten schädlich sind. Kinder werden dann parentifiziert, was bedeutet, dass sie in die Elternrolle gehen und z.B. auf die Mütter aufpassen. Gleichzeitig kann diese große empfundene Nähe auch dazu führen, dass die Mütter sich sehr verbunden fühlen mit den Kindern, was zu zufriedenen Müttern und Kindern führen kann.

Außerdem konnte herausgefunden werden, dass es sich bei Müttern mit BPS, ebenso wie bei allen anderen, um einen dynamischen Prozess handelt. Erst nach einer gewissen Zeit des Distress (angespannte Situation, unangenehmer Stress) der Kinder reagierten Mütter mit BPS unsensibel den Kindern gegenüber. Das führte allerdings zu einem negativen Kreislauf, weil die Reaktion der Mutter nur noch mehr Distress beim Kind verursachte.

Körperliche Auseinandersetzungen

Körperliche Auseinandersetzungen zwischen Müttern mit BPS und ihren Kindern sind nicht selten. Sie werden unter anderem durch die mangelnde Emotionsregulation der Mutter ausgelöst. Häufig haben sie Herabsetzung und Gewalt dann selbst in ihrer Kindheit erlebt und können sich dann nicht an die eigenen Gefühle damals erinnern. Liebesentzug nutzen Mütter mit BPS, wenn sie sich verraten fühlen. Dann kann es auch dazu kommen, dass die Mütter den Kontakt komplett abbrechen.

Extreme

Kinder werden, ebenso wie das gesamte weitere Umfeld, in gut und böse gespalten.

Wie häufig bei BPS schwanken auch die Mütter stark vom einen ins andere Extrem. Sie können entweder sehr kontrollierend oder sehr passiv sein. Zwischentöne sind seltener zu finden.

Komorbiditäten

Andere Studien konnten dagegen herausfinden, dass die Komorbiditäten (“Begleiterscheinungen”) der BPS wie z.B. Depression oder Sucht eine größere Auswirkung auf die Kinder hatte, als die BPS selbst.

Fördernde Eigenschaften

Als positive und fördernde Eigenschaften von Müttern mit BPS kann benannt werden, dass sie sehr empathisch sein können. Sie können Kreativität und Offenheit im Umgang mit den Kindern zeigen.

Häufig kennen Mütter bereits ihre Defizite und nehmen dann gerne und schnell Hilfe von Außen an.

Besonderheiten der verschiedenen Typen

Verwahrlostes Kind

Mütter von diesem Typ sind hauptsächlich permissiv und passiv. Durch die vermittelte Hilflosigkeit der Mutter lernen die Kinder nicht auf ihre Urteilsfähigkeit zu vertrauen. Dadurch begeben sich die Mütter teilweise in für sie und die Kinder gefährdende Situationen, wie z.B. die Kinder Fremden zum Aufpassen geben.

Einsiedlerin

Mütter dieses Typs zeigen dagegen eher kontrollierendes und besitzergreifendes Verhalten. Beziehungen zu den Kindern sind als symbiotisch zu beschreiben. “Nur gute” Kinder werden von ihr eher überbehütet, “nur schlechte” Kinder dagegen herabgesetzt. Negative Wahrnehmungen projiziert die Mutter auf das “nur schlechte” Kind. Wenn die Kinder älter werden, gefährdet ihr Entdeckungs- und Freiheitsdrang die Sicherheit der Mutter, was die Kinder wiederum eher davon abhält. Die Kinder sind häufig der Mittelpunkt des Lebens der Mutter.

Königin

Mütter dieses Typs erwarten von den Kindern, dass sie ihr in allem zustimmen. Gegenüber den Kindern können sie keine Loyalität zeigen, erwarten diese aber uneingeschränkt von ihnen. Königinnen nutzen ihre Kinder, um Aufmerksamkeit und Bewunderung zu erhalten. Das kann dazu führen, dass sie Fähigkeiten der Kinder nicht richtig einschätzen und die Kinder dadurch in gefährliche oder herabwürdigende Situationen bringen. Für die Kinder wirken die Mütter hysterisch und unvorhersehbar.

Hexe

Mütter dieses Typs wollen die Kinder völlig kontrollieren. Hierfür können sie emotionale, körperliche oder sogar sexuelle Gewalt nutzen. Wenn sich die Kinder ihrer Kontrolle dennoch entziehen, löst das bei ihnen Überlebensangst aus. Sie können kaum ein beständiges Gefühl von Liebe vermitteln und verweigert teilweise sogar bewusst, was die Kinder brauchen. Das kann bis hin zu medizinischer Behandlung führen, welche notwendig wäre. Sie opfert die Kinder aber eher emotional als körperlich, um sich selbst zu retten.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Mütter mit BPS vor deutlich mehr Herausforderungen stehen als Mütter ohne BPS.

Gleichzeitig gibt es nicht nur gefährdende Aspekte, sondern auch fördernde.

Im nächsten Teil werde ich über die Auswirkungen auf die Kinder eingehen.

Ich wünsche dir einen guten Tag.

Alles Liebe,
Ronja


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